Entwicklung sicherer Kernbrennstoffe – ein Gebot der Stunde
Hans-Georg Wieck

Kernenergie ist in Deutschland unpopulär und doch wichtig. Die Risiken der siebzehn in Deutschland, über 200 in Europa und weltweit über 450 in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke sind bekannt und werden nach Kräften unter Kontrolle gehalten. Störfälle sind nicht auszuschließen, treten auch bei uns auf. Der Ausbau der nuklear gestützten Kapazitäten zur Energieerzeugung ist ungeachtet der bekannten Risiken auf dem Vormarsch.

In Verbindung mit dem „Atomausstieg“ der Bundesregierung im Jahre 2001 wurde im Rahmen der Novellierung des Atomgesetzes (Gesetz über die friedliche Nutzung der Nuklearenergie und zum Schutz gegen ihre Gefahren vom 23.12.1959 in der Fassung vom 31.10. 2006) die Verwendung von öffentlichen Geldern für Forschung und Entwicklung auf den Gebieten der Kernbrennstoffe und neuer Reaktoren untersagt (§ 7). Zugelassen, aber natürlich genehmigungspflichtig sind Forschungen und Entwicklungen auf dem Gebiet der Reaktorsicherheit. Der deutsche Verzicht auf Forschung und Entwicklung auf Schlüsselgebieten der Nukleartechnologie wird in anderen Teilen der Welt nicht nachvollzogen und bleibt global betrachtet wirkungslos. Deutschland bezieht heute und wird auch in Zukunft „Atomstrom“ aus dem Ausland beziehen und nimmt es hin, dass deutsche Wissenschaftler und andere Fachkräfte an europäischen Programmen mitwirken. Deutsche Unternehmen sind auch Zulieferer für Kernreaktoren, die in anderen Ländern gebaut werden.

Die jüngste internationale Konferenz über den Klima-Wandel in Bali (3.-14. Dezember 2007) zur Vereinbarung eines Mandats für die Verhandlungen über ein internationales Anschluss-Abkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen zeigt, dass die Umsetzung all’ der Maßnahmen unwahrscheinlich ist, die weltweit notwendig wären, um die Erwärmung der Erdatmosphäre in den kommenden Jahrzehnten auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Die Veränderung des Klimas und die damit verbundenen existenziellen und zivilisatorischen Veränderungen für die Menschheit in ihrer Gesamtheit erscheinen unvermeidbar.

Es ist unbestritten, dass Kernkraftwerke keine negativen Auswirkungen auf die bedrohliche Zunahme der Erderwärmung haben. Aber die von den derzeit bestehenden und im Bau befindlichen Kernkraftwerken der dritten Generation ausgehenden Strahlungs-Risiken für Leib und Leben der Bevölkerung und für spätere Generationen können nicht wegdiskutiert werden. Es muss daher das Ziel der Kernforschung sein, mit der Entwicklung neuer Brennstoffe und Kernreaktoren diese Risiken zu beheben. Aus diesem Grunde ist das Atom-Gesetz korrekturbedürftig. Mit dem Verbot der Förderung von Projekten zur Entwicklung neuer Brennstoffe und Reaktoren schießt das Gesetz über das Ziel hinaus und lähmt den menschlichen Geist, seine Fähigkeit, Forschung nach bestimmten Vorgaben zu optimieren.

Muss man nicht fragen, ob nicht Brennstoffe entwickelt werden können, die nach anderen Prinzipien arbeiten, als denen, die in bei dem in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelten Brennstoff Anwendung finden? In der Tat ist mit dem Element Thorium in kristallenem Zustand – an Stelle des Urans - experimentiert worden, allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Nun gibt es seit Jahresfrist auf dem Markt die auch in der Europäischen Union vollzogenen Patentanmeldungen von Professor Lew Maximow, Nowosibirsk, für „amorphem Thorium-Brennstoff“ (Internationale Anmeldenummer PCT/RU2006/000435 vom 17., August 2006). Nach Auffassung des Atomphysikers Lew Maximow erfüllt das von ihm entwickelte „physikalisch-technische“ Konzept der Kernenergieerzeugung die Umwelt- und Sicherheitsanforderungen, die heute an die Nutzung von Kernenergie für die Energieerzeugung gestellt werden müssen. Wie der amorphe Kernbrennstoff so gehören auch die Art und Weise der Steuerung des Reaktors und die Anordnung der Brennelemente im Reaktor selbst zur Kernenergieerzeugung, die auf der Nutzung von Thorium beruht. In den Theorieansätzen der vergangenen Jahrzehnte spielte die Vorstellung, dass man die sich bei der Kernspaltung bildenden Spaltprodukte nicht mit den herkömmlichen chemischen Prozessen, sondern mit rein physikalischen Verfahren aus dem Kernbrennstoff entfernen können sollte, stets eine mitschwingende Bedeutung. Nach dem Verfahren von Professor Maximow geschieht das im Wege des Einsatzes des amorphen Thorium.

Professor Maximow hat sich mit seinen Patenten an kompetente deutsche Forschungs-Institutionen gewandt, da sich Deutschland nicht mehr mit der umwelt- und sicherheitsbezogen notwendigen Perfektionierung der dritten, jetzt im Bau befindlichen Generation von Kernkraftwerken befasst und daher nach seiner Auffassung für eine noch nicht experimentell verifizierte, aber theoretisch erarbeitete Konzeption eines risikolosen oder risikoarmen Verfahrens für die Kernenergieerzeugung offen sein sollte. Die Präsentation hatte in wissenschaftlicher und technologischer Hinsicht ein positives Echo.

Vielleicht liegt in diesem Konzept ein Schlüssel für eine konstruktive Rolle der Kernenergie mit Zukunft.

Noch gibt es keine Plattform in Deutschland, die sich aktiv für das Maximow-Patent interessiert – sei es aus Unkenntnis, sei es Furcht, in die öffentliche Kritik zu geraten, sei es aus Resignation, also dem Gefühl, dass Deutschland den Willen verloren hat, auch auf diesem Gebiet seine wissenschaftliche und technologische Zukunftsfähigkeit zu behaupten und diesen Verlust offenbar auch nicht bedauert.

Oder gibt es mit dem Beschluss D 6 des 21. CDU-Parteitags in Hannover vom 3./4. Dezember 2007 einen Hoffnungsschimmer für eine Kursänderung, in dem es immerhin heißt: „Die CDU tritt für einen ausgewogenen und nachhaltigen Energiemix ein. Jede Form der Energiegewinnung ist separat auf ihre Stärken und Schwächen hin zu analysieren. Alle Energieträger sind auch weiterhin vorurteilsfrei auf ihre Chancen und Risiken zu überprüfen. Keine Energieart darf aus ideologischen Gründen ausgeschlossen werden – auch nicht die Kernenergie.“

In ein Handlungskonzept übertragen, bedeutet dieser Beschluss doch die Bereitschaft zur Wiederaufnahme von staatlich geförderten Forschungen und Entwicklungen auf dem Gebiet der Kernbrennstoffe und Kernreaktoren – jenseits der heute bekannten und immer noch mit Risiken behafteten Generation neuer Kernkraftwerke.

Für ein solches Handlungskonzept sollten die gesetzlichen oder administrativen Voraussetzungen geschaffen werden.

Ein zukunftsträchtiges Projekt liegt jedenfalls auf dem Tisch und wartet auf eine Prüfung auf Herz und Nieren.

Berlin, 16. Dezember 2009

Hans-Georg Wieck