Amorphes Thorium – Grundlage eines Kernbrennstoffes für sichere Kernkraftwerke der Zukunft

Rudolf König und Hans-Georg Wieck
Berlin
Fassung November 2007

Hat die heutige Technologie der Kernspaltung als Energieerzeugung eine Zukunft?

Neue Kernkraftwerke werden gebaut – solche, die der dritten Generation von Leichtwasserreaktoren zugeordnet werden. In diese Kernkraftwerke fließt in beträchtlichem Umfang in Deutschland entwickelte Technologie ein. Die neuen Kraftwerke verwenden aber wie die der ersten Generation den in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelten Uran-Brennstoff (Uran mit einem Anteil von bis zu fünf Prozent Uran 235 oder MOX-Brennelemente - Mischoxid aus Uranoxid und Plutoniumoxid). Sie vermeiden aber auf Grund der ständigen Weiterentwicklung eine Reihe von Risiken, die bei den Reaktoren der ersten Generation bestanden haben. So besitzen diese Reaktoren z.B. spezielle Auffangeinrichtungen, die dafür sorgen, dass die Folgen einer Kernschmelze, ein Ereignis, das für die heute in Deutschland in Betrieb befindlichen Reaktoren und genau so für die im Bau befindlichen extrem unwahrscheinlich ist, auf den Reaktor beschränkt bleibt. Neue und weiterentwickelte Technologien erhöhen die nukleare, chemischre und die mechanische Stabilität der Reaktoranlage und ihrer Bestandteile.

Andere Risiken bestehen fort wie die des möglichen Missbrauchs anfallenden Plutoniums für die Herstellung nuklearen Sprengstoffs sowie die bekannten Risiken bei der Wiederaufarbeitung der abgebrannten Brennstäbe und die politischen, nicht die wissenschaftlichen und technologischen Probleme der Endlagerung der Nuklearabfälle.

Deutschland investiert auf dem Gebiet der Reaktorsicherheitsforschung derzeit im Wesentlichen in den Bereichen von Strahlenschutz und Endlagerung – nicht aber auf den Gebieten der Brennstoffentwicklung oder bei der Entwicklung von neuen, noch sichereren Reaktoren zur Energieerzeugung. Aus verschiedenen Gründen wird es von Industrie und Wirtschaft für unverzichtbar gehalten, auch auf diesen Gebieten zu forschen. Andere Komponenten unserer politisch engagierten Öffentlichkeit wollen die Fähigkeit deutscher Unternehmen, Komponenten für Kernkraftwerke herstellen zu können, beseitigen und damit für die Welt ein Zeichen setzen. Deutschland duldet aber, dass deutsche Wissenschaftler an europäisch finanzierten Projekten teilnehmen, wie es auch nicht zögert, „Atomstrom“ für den Verbrauch in Deutschland aus dem Ausland einzuführen. Die Planungen der energiehungrigen Länder wie Indien, China, Russland, Brasilien, Südafrika und auch die USA weisen in eine andere, als die von Deutschland propagierte Richtung. Die internationale Entwicklung weist auf ein Zeitalter der Renaissance nuklearer Energieerzeugung hin. Indien will die heute vorhandenen nuklearen Kapazitäten zur Energieerzeugung von 4.000 MW bis zum Jahre 2020 auf 20.000 MW und bis zum Jahre 2040 auf 40.000 MW steigern und in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts den Strombedarf mit Kernenergie auf der Basis des in Indien reichlich vorhandnen Thoriums decken.
In einem Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. August 2007 zitiert der Briefautor – Dr. Egon Hartmann, Königswinter - den über die Grenzen unseres Landes bekannten früheren deutschen Umweltminister Klaus Töpfer mit den Worten „“…dass die Regierung neben dem Atomausstieg die komplette Einstellung der Atomforschung verfügt hat, halte ich für unverantwortlich für unser Land und seine Zukunft“. Im Juni 2007 forderte die Internationale Energie-Agentur (IEA), Paris, die Bundesrepublik Deutschland auf, den Atomausstieg zurückzunehmen.

Deckung des weltweit wachsenden Energiebedarfs ohne Kernenergie?

Die Weltbevölkerung wächst, so auch der Energiebedarf und damit sowohl der klimatisch schädliche CO2-Ausstoss als auch der Ruf nach mehr Kernkraftwerken – unabhängig davon, ob Deutschland sich zum Abbau aller Nuklearkapazitäten zur Energieerzeugung entschließt oder nicht. In Europa bestehen heute mehr als 200 Kernkraftwerke (vgl. Anlage), weltweit fast 450 Kernkraftwerke. Selbst eine Pressepublikation des Bundesministerium für Umwelt musste zugeben, dass in Ostasien – und man könnte Indien und das eurasische Russland hinzurechnen – der Ausbau der nuklear gestützten Energieerzeugung auf dem Vormarsch ist. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) nannte die Zahl von „mehr als 20 Kernkraftwerken“, die gegenwärtig weltweit im Bau sind und erwartet bis zum Jahre 2050 eine Vervierfachung der Kernkraft-Kapazitäten.

Die Rot-grüne Koalition hat im Jahre 2001 den Ausstieg aus der Kernenergie gesetzlich durchgesetzt – so auch Schweden, allerdings schon früher. In Schweden steht der Ausstieg auf der Kippe. Deutschland will den Strombedarf aus erneuerbarer Energie (Sonnen- und Windenergie sowie Biomasse), aus sauberen Braunkohlekraftwerken und durch Einsparung decken. Dass lässt sich nur bei hohen Energiepreisen als eine realistische Alternative zur Kernenergie planen und durchsetzen. Auch die unterirdische Endlagerung des Kohlendioxids aus Kohle gestützter Energieerzeugung gehört in das Konzept der Regierung. Deutschland hat jetzt schon hohe Energiepreise. Dies kann nur bei extrem hoher qualitativer Konkurrenzfähigkeit deutscher Produkte auf dem Welt- und auf dem Binnenmarkt in Kauf genommen werden. Die rot-grüne Regierung strebte an, im Jahre 2050 etwa 50 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Deutschland durch erneuerbare Energien zu decken (Sonne, Wind, Biomasse, Erdwärme). Die gegenwärtige Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD hat diese Perspektivplanung nicht in Frage gestellt, aber seitens der CDU/CSU wird sowohl aus Gründen der Energiesicherheit als auch aus Gründen der Industriepolitik und der unverzichtbaren Weiterentwicklung der deutschen technologischen Wettbewerbsfähigkeit auf die Wiederbelebung der Kernforschung gebaut.

Deutschland sollte unter allen Umständen seine Forschungen zur Entwicklung eines sichereren Kernbrennstoffs und für in jeder Hinsicht sichere Kernkraftwerke wiederaufnehmen und zwar mit dem Ziel, Machbarkeitsstudien und gegebenenfalls Pilotprojekte auf allen auf dem Papier als ausgereift angesehene Problemlösungen möglich zu machen, z.B. auf dem wichtigen Gebiet der Entwicklung neuer nuklearer Brennstoffe. Ist das möglich? Weder die Wissenshaften noch die Wirtschaft, ganz zu schweigen von den politischen Parteien oder gar dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung , setzten sich – wahrscheinlich aus tagespolitischen, also opportunistischen Gründen - grundsätzlich mit dem für das Ausland unverständlichen gesetzlich verankerten Verbot wissenschaftlicher Forschung mit öffentlichen Mitteln auf dem Gebiet der nuklearen Brennstoff- und Reaktorforschung auseinander. Das ist bedenklich.

Die in jüngster Zeit bei einigen deutschen Kernkraftwerken aufgetretenen Pannen werden politisch genutzt, um die öffentliche Unsicherheit in Bezug auf Kernkraftwerke zu schüren und lenken von den Problemen ab, die mit den Technologien erneuerbarer Energien einschließlich der problematischen Ausweitung der Biomassen-Produktion verbunden sind.

Thorium im amorphen Zustand als Grundlage einer sicheren Kernenergie-Erzeugung

In vielen bislang unternommenen Machbarkeitsstudien ist mit dem Element Thorium als Substitut für Uran experimentiert worden: Nicht nur bietet es sich als Grundelement für die nukleare Energieerzeugung wegen seiner Charakteristika, u. a. wegen seines höheren Schmelzpunktes an (Thoriumoxid bei 3.300 Grad Celsius), sondern auch angesichts seiner höheren Verfügbarkeit, als sie nach gegenwärtigen Schätzungen bei Uran gegeben ist. Es sind Lagerstätten von 1,2 Millionen Tonnen Thoriumerzen bekannt, davon 300.000 to in Australien, 300.00 to in Indien, 170.000 to in Norwegen. Auch die USA und Russland verfügen über Thoriumlagerstätten. Obschon nicht selbst ein spaltbares Material, kann Thorium 232 Neutronen absorbieren und Uran 233 (U233) produzieren, das dann als Kernbrennstoff zur Verfügung steht.

Alle bisherigen Versuche beruhten auf der Nutzung von Thorium in kristallenem Zustand, z.B. im AVR-Versuchsreaktor Jülich (1967-1988), Dragon-Reaktor in Winfrith, GB (1964-1973), in der Peach-Bottom-Versuchsanlage (USA von 1967 bis 1974), sowie in den Kamini- und Kalpakkam-Versuchsreaktoren in Indien (1996). Die Kernkraftwerke in Hamm-Uentrop (THTR-300) und Lingen, Deutschland sowie in Fort St.Vrain (USA) benutzten zum Teil Thorium als ein Grundelement des nuklearen Brennstoffs. Die Anlagen Kakrapar 1 und 2 in Indien nutzen nur Thorium als Brennstoffbasis. Aber die mit der Verwendung von Thorium als Brennstoff aufgetretenen Probleme – hohe Kosten der Brennstoffherstellung, sowie einige waffenbezogene Probleme und die Probleme der Reintegration des Brennstoffes - konnten bislang nicht befriedigend gelöst werden. Also, warum überhaupt Uran durch Thorium ‚Kernbrennstoff’ ersetzen?

Nun gibt es seit Jahresfrist auf dem Markt die auch in der EU vollzogenen Patentanmeldungen von Professor Lew Maximow, Nowosibirsk für „amorphen Thorium Brennstoff“ (Internationale Anmeldenummer PCT/RU2006/000435 vom 17. August 2006.

In der Zusammenfassung der Patentanmeldung heißt es:

Der grundsätzlich neue amorphe Kernbrennstoff stellt eine Suspension von festen Brennstoffmikroteilchen, deren Größe unter 10um liegt, mit einem Trägermedium, z.B. schwerem Wasser, dar. Diese Mikroteilchen werden aus Metallen, z.B. aus metallischem Thorium mit einem Zusatz von Uran-235 und/oder Plutonium-239, aber nicht aus oxidischen oder Karbidbestandteilen, wie die bekannten keramischen Brennstoffe, hergestellt. Erstmalig werden metallische Brennstoffmikroteilchen nicht mit einer kristallinen, sondern mit einer amorphen Struktur, wie man sie von metallischen Gläsern kennt, hergestellt. Zu diesem Zweck werden Mikroteilchen einer Fraktion verwendet. Zusätzlich werden weitere Mikroteilchen, zum Beispiel aus amorphem Beryllium und/oder Kohlenstoff in die disperse Phase der Brennstoffsuspension gegeben. Der amorphe Kernbrennstoff ist prinzipiell dafür geeignet, die Grundlage für den bevorstehenden unabdingbaren Übergang der weltweiten Kernenergiewirtschaft zur Nutzung von Thorium an Stelle von Uran zu bilden.“

Nach Auffassung des Atomphysikers Lew Maximow erfüllt das hier vorgestellte „physikalisch-technische“ Konzept der Kernenergieerzeugung die Forderungen, die heute an die Nutzung von Kernenergie für die Energieherstellung gestellt werden. Wie der amorphe Kernbrennstoff so gehört auch die Art und Weise der Steuerung des Reaktors und die Brennelementanordnung im Reaktor selbst zur Kernenergieerzeugung, die auf der Nutzung von Thorium beruht. Ebenso ist die Verlängerung der Brennstofflebensdauer der Kernreaktoren bei einmaliger Ladung auf 30 bis 50 Jahre zu erwähnen. Zu nennen sind auch die vollständige Unterbindung der Erzeugung von Plutonium und anderen Transuranen; das Vermeiden überschüssiger Reaktivität, wie sie in den heutigen Kernkraftwerken besteht, sowie die Überkritizität sowie Defizite als Resultat menschlichen Versagens in der Kontrolle des Prozesses. Es gibt keine Aufbereitung des abgebrannten Kernbrennstoffs.

In den Theorieansätzen der vergangenen Jahrzehnte spielte die Vorstellung, dass man die sich bei der Kernspaltung bildenden Spaltprodukte nicht mit den üblichen chemischen Prozessen, sondern mit rein physikalischen Verfahren aus dem Kernbrennstoff entfernen können sollte, stets eine mitschwingende Bedeutung. Die Umsetzung dieser Forderung in praktikable Verfahren gelang allerdings bislang nicht.

Erst in der Nutzung einer weiteren Entdeckung – nämlich bei der Erforschung der Metallurgie von amorphen Metallen – kam der Gedanke auf, die keramischen Brennstoffmikroteilchen im nuklearen Brennstoff durch Thorium im amorphen Zustand zu ersetzen. Der amorphe Zustand eines Metalls unterscheidet sich vom kristallenen Zustand eben dieses Metalls durch das Fehlen kristallener Strukturen, so dass das Metall wie eine glasförmige Legierung erscheint. Erste Veröffentlichungen zu dieser Entwicklung gab es in den fünfziger Jahren in den USA und in der Sowjetunion. Die Korrosionsbeständigkeit amorpher Legierungen wurde entdeckt. Mit dem amorphen Zustand einer Legierung sind andere Eigenschaften des Metalls gegeben, die nun auch bei der Entwicklung eines auf Thorium beruhenden nuklearen Brennstoffes angewendet worden sind.

In der Patentanmeldung von Lew Maximow wird der amorphe Kernbrennstoff wie folgt beschrieben: Der Brennstoff beruht auf metallischem Thorium und seinen Legierungen mit dem Zusatz von einem oder mehr Prozent spaltbaren Uran und oder Plutonium -239-Istopen als Zündstoff.

L. Maximow hat auch eine der möglichen Strukturen eines auf amorphem Thorium-Kernbrennstoff beruhenden Reaktors patentiert und diesen kürzlich bei einer Zusammenkunft mit deutschen Nuklearwissenschaftlern vorgestellt. Dabei wurde die Tatsache anerkannt, dass es sich bei dem vorgestellten Kernbrennstoff um einen grundsätzlich neuen Kernbrennstoff handelt, dessen effiziente und sichere Verwendung grundsätzlich auch als möglich angesehen wurde.

L. Maximow hat den Weg nach Deutschland gewählt, da Deutschland sich nicht mehr mit der umwelt- und sicherheitsbezogen notwendigen Perfektionierung der dritten, jetzt im Bau befindlichen Generation von Kernkraftwerken befasst und daher nach seiner Auffassung für eine noch nicht experimentell verifizierte neue, aber theoretisch erarbeitete Konzeption eines risikolosen oder zumindest risikoarmen Verfahrens für die Energieerzeugung offen sein sollte.

Vielleicht liegt hier ein Schlüssel für die Nuklearenergieerzeugung mit Zukunft.

Noch gibt es keine Plattform in Deutschland, die sich aktiv für das Maximow-Patent interessiert – sei es aus Unkenntnis, sei es aus Furcht, in die öffentliche Kritik zu geraten, sei es aus Resignation, also dem Gefühl, dass Deutschland seine wissenschaftliche und technologische Zukunftsfähigkeit verloren hat und das auch nicht bedauert.

Zunächst sollte es eine kritische Auseinandersetzung im wissenschaftlichen und industriellen Bereich mit dem von dem Maximow-Patent vorgestellten Brennstoff und seiner eventuellen Umsetzung in eine Produktionsstätte geben. Das kann schon jetzt bei unternehmerisch geförderten Untersuchungen stattfinden, aber es sollte auch auf der Regierungsseite geschehen. Dazu könnte Professor Maximow als Sachverständiger eingeladen werden.

Als ein weiterer Schritt könnte eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden, für die die Mittel von Stiftungen bereitgestellt werden könnten. Es gibt Hinweise darauf, dass das in Karlsruhe bestehende, von der Europäischen Union finanzierte „Institut für Transurane“ die zukunftsweisende Bedeutung des auf amorphem Thorium beruhenden neuen Kernbrennstoffs erkannt hat.

Erst nach dem Vorliegen einer Machbarkeitsstudie über den neuen Brennstoff kann es eine fundierte politische Debatte geben.

Berlin, November 2007

Rudolf König und Dr. Hans-Georg Wieck

Anlage

Kernkraftwerke in Europa – Stand 2004

Landin BetriebStillg.Erzeugte Energie in GWhAnteil an Gprod.
Frankreich 59 11 426.800 78%
Russland 31 12 133.017 16%
Großbritannien 23 22 73.680 19%
Deutschland 17 19 158.390 26%
Ukraine 15 4 81.813 51%
Schweden 10 3 75.039 52%
Spanien 9 1 60.888 23%
Belgien 7 1 44.857 55%
Tschechien 6 0 24.817 32%
Slowakei 6 1 15.624 55%
Schweiz 5 0 25.432 40%
Finnland 4/1 0 21.779 27%
Bulgarien 4/1 2 15.598 42%
Ungarn 1 0 11.209 34%
Litauen 1 1 13.917 72%
Rumänien 1 0 5.144 10%
Slowenien 1 0 5.204 39%
Niederlande 1 1 3.605 4%
Ende der Anlage